Ich liebe dich mein Leben lang by Jellouschek Hans

Ich liebe dich mein Leben lang by Jellouschek Hans

Autor:Jellouschek, Hans [Jellouschek, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Herder GmbH
veröffentlicht: 2015-07-22T16:00:00+00:00


Wenn ich von Intimität in der Paarbeziehung spreche, meine ich auch, aber nicht in erster Linie, körperliche Intimität. Intimität meint die umfassende persönliche Nähe, die zwei Menschen in ihrer Beziehung erfahren, mental, emotional und körperlich. Einer fühlt sich vom anderen in seiner Person gemeint, im Herzen berührt und mit ihm tief vertraut. Der Anspruch auf diese Erfahrung von Intimität an die Paarbeziehung, und zwar auf die Länge ihrer Dauer, ist heute sehr hoch. Die Partner wollen sich die nächsten Vertrauten sein.

Dies zu erreichen ist aber nicht einfach. Dem hohen Anspruch an Intimität steht heute eine Lebenssituation vieler Paare entgegen, die Intimität verhindert oder sie leicht verloren gehen lässt.

Unser Leben ist äußerst komplex geworden. Die frühere Rollenaufteilung − er der Arbeitsmann und sie die Familienfrau − gibt es nicht mehr. Das Arbeitsmaß, das viele Menschen zu bewältigen haben, wird immer größer. Die Forderung nach nahezu unbegrenzter Flexibilität bedingt zudem lange Anfahrtswege, Wochenendehen oder Umzüge der Familie, durch die sie immer wieder aus ihren Lebensbezügen herausgerissen wird − mit all den Stressfaktoren für die Beziehung, die das mit sich bringt. Heutige Paare wollen, wenn sie Kinder haben, diese keinesfalls »so nebenher laufen« lassen. Kinder zu haben, ist heute kein Schicksal mehr, sondern eine Sache der freien, bewussten Entscheidung. Wenn man sich also schon welche anschafft, sind sie besonders wichtig und man will sie auch besonders gut erziehen. Hier eröffnen sich tausend Möglichkeiten schier unbegrenzten Engagements, die Kinder vorschulisch, schulisch und außerschulisch zu fördern, was Zeit, Überlegung und Einsatz der Eltern, vor allem der Mütter, kostet. Vor allem in Familien mit noch nicht erwachsenen Kindern gibt es ständig schrecklich viel zu tun, zu organisieren, zu planen und abzuarbeiten. Immer müssen irgendwelche Angelegenheiten erledigt, Ziele erreicht, Pflichten erfüllt werden. Das füllt die Zeit der Partner aus. Sich selber verlieren sie dabei mehr und mehr aus dem Blick.

Es kann leicht geschehen, dass der Mann in der Frau mehr und mehr die Mutter, die Frau im Mann mehr und mehr den Vater sieht. Früher haben sie dann begonnen, sich mit »Mama« und »Papa« anzureden. Dass die meisten das heute vermeiden, ist ein gutes Zeichen, verhindert aber nicht immer, dass in ihrer persönlichen Beziehung das Mama-Sein und Papa-Sein in den Vordergrund tritt. Zweifellos bedeutet auch das eine gewisse Intimität. Aber reicht diese Art von Intimität aus für das, was sich die beiden als Mann und Frau voneinander wünschen? Oft driften sie dabei unbemerkt als Paar immer weiter auseinander. Dieser − meist schleichende − Verlust der Mann-Frau-Intimität widerspricht aber wie gesagt diametral dem heutigen Anspruch der Partner. Denn das wollen und suchen sie beide in der individualisierten Welt von heute, in der es immer mehr Mangel an persönlichen Bezügen gibt: Jemanden zu haben, mit dem sie wirklich intim sind, dem sie nahe sein können.



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